Der 6. Oktober 2014 wäre Thor Heyerdahl’s 100. Geburtstag

Thor Heyerdahl, Norwegens berühmtester Forscher der Gegenwart, würde am 6. Oktober 2014 seinen 100. Geburtstag feiern. Man hat in ihm oft einen modernen Wikinger gesehen, rastlos und trotzdem zielstrebig seine Ziele verfolgend. Vielleicht war es wirklich das Wikingerblut, das ihn zu seinen grandiosen Leistungen getrieben hat.

Thor Heyerdahl wurde am 6. Oktober 1914 in Larvik geboren. Sein gleichnamiger Vater war Brauer und Bankier, seine Mutter Alison (geb. Lyng) brachte ihn schon früh mit der Zoologie in Berührung, so dass Thor Heyerdahl schon im Volksschulalter bei sich zu Hause ein kleines zoologisches Museum einrichtete. Für ihn stand von Anfang an fest, dass er Forscher werden sollte. Er studierte Biologie und Geographie und spezialisierte sich schließlich auf Inselanthropologie.

Zusammen mit seiner ersten Gattin Liv (geb. Coucheron-Torp) verbrachte er 1937/38 ein Jahr auf der polynesischen Insel Fatu Hiva bei den Eingeborenen, ohne moderne Hilfsmittel und ohne Kontakt mit der restlichen Welt. Bei diesem Aufenthalt hatte er erstmals den Gedanken, dass Polynesien von Amerika aus besiedelt worden sein könnte. Um darüber mehr Klarheit zu gewinnen, unternahm er 1939 eine Forschungsreise nach British Columbia (West-Kanada), wo er drei Indianerstämme fand, die nur wenige Ähnlichkeiten mit den anderen Indianerstämmen aufwiesen. Die Kwakiutl, Haida und Salish hatten weit mehr Ähnlichkeit mit den in Polynesien lebenden Menschen, so dass Heyerdahl die Theorie gebar, dass mit Hilfe von Balsaflößen eine Besiedelung von Amerika aus möglich gewesen sein könnte. Diese Idee stieß auf entschiedenen Widerstand der Fachwelt.

Der Zweite Weltkrieg machte Heyerdahls Forschen ein vorläufiges Ende. Als Leutnant der Fallschirmjäger in Finnmark beendete Heyerdahl den Krieg und widmete sich fortan seinen Studien.

Nun galt es, die Theorien der amerikanischen Besiedelung Polynesiens zu beweisen. 1947 gelang ihm die Aufsehen erregende Fahrt mit der „Kon Tiki“ (Sonnenkönig der Prä-Inkazeit), einem Balsafloß aus nur neun Stämmen. Zusammen mit Heyerdahl waren noch vier Norweger und ein Schwede unterwegs. Man fuhr von Callao in Peru los und erreichte nach ca. 8.000 km Fahrt das Rairois-Atoll im Tuamotu Archipel. Die Sensation war geglückt! Der Dokumentarfilm zu dieser Reise erhielt den „Oscar“, das Buch „Kon Tiki“ wurde in 66 Sprachen übersetzt und blieb Heyerdahls erfolgreichstes von insgesamt 14 Büchern.

Heyerdahls nächste Expedition führte ihn zu den Galapagos-Inseln, wo die Ausgrabung von vier präkolumbianischen Siedlungen und die Auffindung von 131 früh-inkazeitlichen Keramiken gelang. Mit diesen Funden wurde der Beweis erbracht, dass die Inka – entgegen der bis dahin herrschenden Meinung – sehr wohl auch die Meere befuhren und gegen den Wind segeln konnten.

In den Jahren 1955/56 verbrachte Heyerdahl ein Jahr auf der Osterinsel und in Ost-Polynesien, wo man nach den erfolgten Ausgrabungen beweisen konnte, dass die Inseln schon 1.000 Jahre früher, als bis dahin angenommen, besiedelt gewesen waren. Es konnte in Erfahrung gebracht werden, wie die Kolossalstatuen aufgestellt worden waren und man fand zahlreiche Typen von Statuen und Häusern aus der Prä-Inkazeit.

The Pacific Science Congress 1961 in Kairo brachte für Heyerdahl die endgültige Anerkennung in wissenschaftlichen Kreisen. Von nun an wurden Heyerdahls Theorien nicht mehr mit jener Kritik versehen, wie es früher der Fall gewesen war.

Auf seinen Reisen in Südamerika und Polynesien hatte Heyerdahl auch entdeckt, dass man mit Schilfbooten unterwegs gewesen war. Vor allem die Schilfboote, die noch heute in Mexiko und Peru benutzt werden, haben große Ähnlichkeit mit jenen Booten, die die alten Ägypter verwendeten. Nach eingehenden Studien wurde ein Schilfboot mit 12 m Länge in Ägypten gebaut und von Safi in Marokko aus wollte man Barbados erreichen. Das Schiff – man hatte ihm den Namen „Ra“ (Name des Sonnengottes in Ägypten und in Polynesien!) gegeben – ging nach acht Wochen Fahrt aufgrund eines Konstruktionsfehlers unter. Heyerdahl und seine Männer fanden jedoch jenen Fehler und wiederholten die Fahrt mit der „Ra II“ ein Jahr später, 1970. Dieses Mal war man erfolgreich. Sieben Männer aus sieben Nationen hatten in 57 Tagen ca. 6.100 km zurückgelegt und wiesen bei dieser Fahrt auch erstmals auf die Verschmutzung der Meere hin. Der Dokumentarfilm wurde für den „Oscar“ nominiert.

Die nächste große Expedition war die Tigris-Expedition in den Jahren 1977/78, wo man wieder mit einem Schilfboot unterwegs war. Heyerdahl konnte beweisen, dass es für die alten Völker möglich war, nicht nur auf den Meeren, sondern auch auf den Flüssen zu segeln. Die Fahrt ging über den Tigris und den Indischen Ozean zum Indus und zurück nach Dschibuti, wo aufgrund von politischen Schwierigkeiten eine Passage zum Roten Meer unmöglich war. Das 18 m lange Boot, das mit elf Männern aus ebenso vielen Nationen besetzt war, wurde nach einer Fahrt von 6.800 km vor der Küste Dschibutis verbrannt.

Sehr spektakulär waren auch Heyerdahls Aktivitäten auf den Malediven 1981-84. Man hatte ihm eine Steinstatue eines Menschen gegeben – für Heyerdahl war diese Statue ein klarer Beweis dafür, dass diese mohammedanischen Inseln vor der Zeit der Moslems (1153) besiedelt gewesen sein mussten. Es wurden nicht nur Hindugötter und Buddhas ans Tageslicht gebracht, sondern man entdeckte auf den Inseln um den Äquator prähistorische Tempel und pyramidenähnliche bis zu 9 m hohe Gebilde, ja man fand sogar einen ganzen Tempelbezirk auf der Nilandu-Insel!

Heyerdahls letzte große Expedition führte ihn nach Peru, wo er 1993 in Tucume (6 Grad südlich des Äquators, an der Küste) ein großes Ruinenfeld ausgrub und erforschte. Dabei handelte es sich um vor-inkazeitlich, ausgesprochen reiche Kulturen, die sehr beeindruckend waren.

Thor Heyerdahl war dreimal verheiratet und hatte aus den ersten beiden Ehen fünf Kinder. Seit 1958 lebte er in Norditalien in einem alten Haus am Meer. Er starb am 18. April 2002 im 88. Lebensjahr.

Die Schiffe „Kon Tiki“ und „Ra II“ sind im Kon-Tiki-Museum zu besichtigen, das Teil des Norsk Maritimt Museum (Norwegisches Seefahrtsmuseum) in Oslo ist.

(Text nach Dr. Sven E. Hubacek, 1994)