European Newspaper Congress 2013 – 5.-7.5.2013 – Rathaus Wien Case Study “ØB”: Die Neu-Erfindung von ØB


ØB ist eine norwegische Nachmittagszeitung der Verlagsgruppe AMedia. Trotz des guten wirtschaftlichen Umfelds in der Region Follo, südlich von Oslo, verlor ØB innerhalb von nur fünf Jahren ein Viertel der Aboauflage. Ende 2011 lag sie bei nur noch 13 505 Exemplaren. Es gab viele Gründe für die Entwicklung, doch ein entscheidender lag ohne Zweifel darin, dass die Redaktion den Anschluss an ihre Leserschaft verloren hatte.

In weniger als sechs Monaten wurde mithilfe von Innovation Media Consulting eine vollkommen neue Zeitung mit ebenfalls neuen redaktionellen Strukturen entwickelt. Der Relauch von ØB erfolgte schließlich im August 2012 und brachte zwei gegenläufige Entwicklungen mit sich: Es kam zu erheblichen weiteren Abokündigungen während auf einmal zahlreiche neue Leser gewonnen werden konnten.

Die fundamentalen Veränderungen der Zeitung betrafen zunächst die Erscheinungsfrequenz: Sie wurde von sechs auf drei Mal pro Woche reduziert (Dienstag, Donnerstag, Samstag). Gleichzeitig wurde das Online-Angebot ausgebaut: aktuelle Nachrichten werden jetzt nach dem Prinzip “online first” zuerst ins Netz gestellt, zum Bespiel Ergebnisse von Sportwettkämpfen am Wochenende. Auch werden mehr Multimedia Inhalte produziert. Im Dezember 2012 wurde schließlich eine Paywall eingeführt. Die gedruckte Zeitung besteht nun aus vier Ressorts: Nachrichten und das Thema des Monats, Leben in Follo, Geschichten, Sport. Der vierte Teil, das Sportressort, nutzt die Rückseite der Zeitung als zweite (horizontale) Titelseite. Das ist in Europa einmalig. Ein breiter Mix aus kurzen und längeren Leseformaten auf den Seiten, sowie eine eigene Bildsprache sind wichtige Bestandteile des Konzepts. Vor dem Relaunch wurden Journalisten und Verleger auf die neue Ausgabe vorbereitet. Der Redaktionsaufbau, das heißt Arbeitsabläufe, Jobbeschreibungen und der Großraum im Verlagsgebäude wurden ebenfalls erneuert. Die Redaktion von ØB war nie in Print und digital unterteilt. Die Zahl der Redakteure (Text und Bild) wurde von 32 auf 25 Mitarbeiter reduziert. Staunend verfolgen die Macher von ØB den Austausch der Leserschaft, die einer Achterbahnfahrt gleicht: Viele angestammt Leser haben sich verabschiedet und viele neue, die die neue ØB heute anspricht, sind hinzugekommen. Ziel ist, die Auflage weiter zu steigern. ØB ist eine Beispiel dafür, wie Print wirkt – im Guten wie im Schlechten.

Stig Finslo, Vizepräsident von Amedia AS (Oslo) und Peter Littger von Innovation Media Consulting (Berlin) sprachen in Wien über die Strategie hinter der mutigen Neuausrichtung und über den Umgestaltungsprozess von ØB, was sich bewährt hat und was nicht zufriedenstellend lief.